Die Neuberin

Caroline Friederike Neuber

Wo die Fährstraße auf das Laubegaster Ufer trifft, errichteten Theaterfreunde im Jahre 1776 ein Denkmal für die „Mutter der deutschen Schauspielkunst“, Caroline Friederike Neuber – die Neuberin. Ihr Lebensweg war für damalige Verhältnisse sehr ungewöhnlich. Ihre letzten Monate verbrachte sie in Laubegast, wo sie 1760 in Armut starb.

Am 19. März 1697 in Reichenbach (Vogtland) als Tochter von Anna Rosine und Daniel Weißenborn geboren, war ihre Kindheit und Jugend von Entbehrungen geprägt. Ihr Vater, Gerichtsinspektor, war ein Patriarch, der seine Frau und seine Tochter schlug. Mit 15 Jahren floh sie, gemeinsam mit einem Gehilfen des Vaters, Gottfried Zorn, den der Vater dann wegen „Verführung und Entführung“ steckbrieflich suchen ließ. Um ihren Geliebten vor der Verurteilung zu bewahren, nahm Caroline alle Schuld auf sich – und nach einem langwierigen Prozess wurden beide freigesprochen. Doch als sich herausstellte, das ihr Geliebter verheiratet und somit des Ehebruches schuldig war, musste sie wieder zum Vater zurück und war wieder dessen Gewalttätigkeit ausgesetzt. Erst fünf Jahre später, 1717, gelang ihr erneut die Flucht, als sie mit zwei Lateinschülern durchbrannte. Einer der beiden war Johann Neuber, mit dem sie die Leidenschaft fürs Theater teilte und mit dem sie sich in Weißenfels der „Spielbergischen Komödiantenbande“ anschloss, ein Jahr später heirateten sie in Braunschweig.

Schauspieler waren zu jener Zeit fahrendes Volk – und als solches von geringstem Ansehen. Die Neuberin fiel jedoch durch ihre besondere Begabung auf, durch Anmut und Natürlichkeit, durch Temperament und Schlagfertigkeit beim Stegreifspiel. Zehn Jahre später, 1727, gründete sie mit ihrem Mann eine eigene Theatergruppe, in die sie die besten Schauspieler der sich auflösenden „Hoffmann-Haakeschen Truppe“ aufnahm. Als Prinzipalin (Geschäftsführerin) wirkte sie auf einen „ordentlichen Lebenswandel“ ihrer Gruppe ein und verhalf dem Schauspielerstand zu besserem Ansehen. Durch Vermittlung des sächsischen Hofpoeten Johann Ulrich König erhielt sie von Kurfürst Friedrich August I. (August der Starke) das Privileg, als „Königl. Poln. und Churfürstl. Sächs. Hof Comedianten“ aufzutreten. Damit konnte sie auch in Leipzig spielen, als Stadt der Messen und des Handels schon damals ein wichtiger Verkehrsknoten, als Universitätsstadt und Zentrum des Buchhandels kulturell bedeutsam. So wurde die Neuberin noch im selben Jahr vom Professor für Literatur der Leipziger Universität, Johann Christoph Gottsched (1700-1766), entdeckt, dessen Ziel die Schaffung einer einheitlichen deutschen Literatursprache und die Reform des Theaters nach französischem Vorbild war. Statt reinem Spektakeltheater sollten dichterische Kunstwerke aufgeführt und die Absicht der Autoren nicht mehr durch rohes Possenspiel entstellt werden.

In Dresden gastierte sie erstmals 1730, zum Karneval 1732, 1733, regelmäßig ab Mitte der 1740er und letztmalig 1750. Wie aus einem Brief Johann Neubers an Gottsched hervorgeht, fanden die Auführungen beim Dresdner Publikum nur zaghaften Zuspruch. Andernorts war ihr mehr Erfolg vergönnt – und damit auch mehr Neid, teils aus den eigenen Reihen. Intrigen verhinderten 1734 die Erneueuerung des sächsischen Aufführungsrechts, worauf die Neuberin mit ihrer Gruppe nach Schleswig-Holstein umzog. Erst drei Jahre später wurde ihr durch Friedrich August II. (Sohn August des Starken) wieder das Aufführungsrecht für Sachsen erteilt.

Nach zehn Jahren der Zusammenarbeit mit Gottsched ließ die Neuberin 1737, auf dessen Initiative, in einem selbstverfassten Vorspiel den für Klamauk zuständigen Hanswurst von der Bühne abtreten, indem sie ihn „zum Tode verurteilte“ und symbolisch (als Puppe) verbrannte. Die auch bei tragischen Stoffen zur Volksbelustigung vorangestellten Zoten der (wegen ihrer Witzigkeit und Schamlosigkeit beim Volk beliebten) Figur des Hanswurst sollten dem guten Geschmack weichen. Die Vertreibung des Hanswurst sorgte für Aufsehen und begründete den Ruhm der Neuberin – doch immer wieder traten Neider und üble Konkurrenten auf den Plan.

In den Glanzeiten der Neuberin, zwischen 1730 und 1740, bietet erstmals in der deutschen Theatergeschichte ein nicht an den Adel, sondern ans Bürgertum gebundenes Haus eine Bühne für das Schauspiel, das Dresdner Gewandhaus. Als ihr Ruhm nachlässt, bleibt das Gewandhaus geschlossen und sie ist für ihre Aufführungen wieder auf Gaststätten und Schankwirtschaften angewiesen. Zu den Neuerungen der Neuberin gehörte auch die Einführung von Musikbegleitung bei Tragödien.

Während eines Gastspiels in Rußland, 1740-1741, machte ein weiterer Konkurrent der Neuberin den Platz streitig, indem es ihm gelang, Gottscheds Übersetzungen für sich zu beanspruchen. Ihr Zorn darüber richtete sich auch gegen Gottsched. Als „die Nacht mit Blendlaterne und Fledermausflügeln“ machte sie Gottsched in einem Vorspiel lächerlich, was zum Bruch der Beziehung führte. Aber auch Gerüchte über sie selbst und eine Schmähschrift kamen in Umlauf. Der Druck der Konkurrenz nahm zu und die eigenen Einnahmen ab, so dass die Neuberin 1743, hochverschuldet, ihre Gruppe auflösen musste. Die Wohnung in der einstigen Moritzstraße (etwa beim heutigen Museum für Stadtgeschichte), die sie im Juli 1748 bezogen hatte, wurde ihr wegen Mietschulden im Februar 1749 gekündigt.
1948 hatte sie gerade erst einen Neubeginn gewagt, indem sie in Leipzig Lessings Erstlingswerk „Der Junge Gelehrte“ aufführte. Doch wieder musste sie dem Druck der Konkurrenz weichen und löste ihre Gruppe 1750 endgültig auf. Mit Ausbruch des Siebenjährigen Krieges, 1756, wurden alle Hoffnungen auf einen erneuten Versuch begraben. Inzwischen bettelarm, wurde das Ehepaar Neuber in Dresden vom königlichen Leibarzt Dr. Löber aufgenommen. Dort starb Johann Neuber am 3. März 1759. Als Dr. Löbers Haus beim Angriff preußischer Truppen im Juli 1760 zerstört wurde, flüchtete die nun 63-jährige Neuberin mit Mitgliedern der Familie Löber ins damalige Dorf Laubegast, ein zweistündiger Fußmarsch. Doch einige Freunde der Löbers stellten sich einer Unterbringung der Neuberin in Laubegast entgegen. Daraufhin nahm sie ein Bauer namens Georg Möhle auf, der in einem Anbau am damaligen Gasthof Laubegast (heutiges Volkshaus) lebte. Krank und in Armut starb sie dort noch im selben Jahr, am 30. November 1760. Die Kirche lehnte das Begräbnis ab. Georg Möhle fuhr den Leichnahm nachts auf einem Schubkarren zum Leubener Friedhof, um sie dort heimlich zu begraben. Erst 92 Jahre nach ihrem Tod, 1852, willigte die Kirche in die Aufstellung eines Grabsteines auf dem Leubener Friedhof ein.

16 Jahre nach ihrem Tod, 1776, errichteten an der oben genannten Stelle Verehrer und Freunde des Theaters ein Denkmal aus Sandstein, entworfen von Friedrich August Krubsacius, ausgeführt von Friedrich Feige. Am 17. September 1852 wurde das Denkmal auf Veranlassung von Mitgliedern des Dresdner Hoftheaters erneuert und durch den Kgl. Hofschauspieler August Gerstorfer feierlich eingeweiht, welcher anschließend zum Ehrenbürger von
Laubegast ernannt wurde.

In einem erst kürzlich im Stadtarchiv entdeckten Text* von 1872 heißt es dazu: „Dieselbe Gemeinde, die im zelotischen Eifer, einer sich von den Unbilden des 7jährigen Krieges hierher geflüchteten Frau, weil sie Schauspielerin gewesen, nach ihrem Tode ein sogenanntes ehrliches Begräbnis verweigerte, ernannte dafür im humanen Geiste des neunzehnten Jahrunderts einen Schauspieler zu ihrem Ehrenbürger und sühnte damit das, was die Vergangenheit verschuldet hatte.“ (zit. aus „Die Fähre“, Heft 6 Juni 2004)

Noch einmal wurde das Andenken an die Neuberin für Kriegszwecke geopfert. Im Zweiten Weltkrieg, 1944, wurde das Medaillion entfernt und eingeschmolzen. Eine Nachbildung nach alten Fotos schuf 1952 Prof. Rudolf Born.

Während des Hochwassers vom August 2002 stand das Denkmal vollständig unter Wasser.
Als Logo des Inselfestes ist das Medaillon mit der Büste der Neuberin seit 2003 auch ein Symbol der Besinnung und des Neuanfangs.

* „Erzählungen aus der nächsten Vergangenheit des Ortes Laubegast, auf welche hin vom Jahre 1872 an eine Chronik in systematischer Ordnung fortgesetzt werden soll“ – Die unter diesem Titel angekündigte Chronik wurde bisher nicht gefunden.

Literatur

  • Mechtel, Angelika: Die Prinzipalin. (historisch-biographischer Roman) Frankfurt/Main 1997
  • Oelker, Petra: Nichts als eine Komödiantin. Die Lebensgeschichte der Friederike Caroline Neuber. Weinheim 1993
  • Ziessler, Herbert: Vom Leben und Wirken der Frau Neuberin. Reichenbach 1957
  • Züllchner, Herbert: Das Wirken der Friederike Caroline Neuberin in Dresden. Dresden 1961

Gedenkstätten

  • Denkmal in Laubegast
  • Grabstätte im Friedhof Leuben
  • Neuberinplatz in Zwickau, Büste im Treppenaufgang des Gewandhauses
  • Reliefplatte im Foyer des Schauspielhauses und Gedenktafel am Eingang „Café am Brühl“ in Leipzig
  • Neuberin-Museum Johannesplatz, 08468 Reichenbach (Vogtland)